Weihnachtsgeschichten in Versen
Auf Erden liegt der tiefe Schnee
Blauweiß im Mondenschein,
Es liegen voller Sorg' und Weh
Die niedern Hütten klein.
Und doch! Aus jeder Hütte strahlt
In dieser Nacht ein Glanz,
Ein mildes Leuchten voll Gewalt,
Ein kleiner Sternenkranz.
Und zählst du diese Sterne all,
Soweit die Wölbung reicht,
Und wo in sanftem Niederfall
Der Berg zur Eb'ne streicht;
Und wo die großen Städte stehn,
Die Häuser, eng im Raum,
Die Menschen keinen Himmel sehn,
Viel eher Schlot als Baum;
Du findest doch in dieser Nacht:
Unzählbar ist das Heer,
Das bei den kleinen Lichtern wacht,
Dem großen Licht zur Ehr'!
Du fühlest, eine Treue lebt
Im Moor- und Straßendampf,
Die voraus zu dem Siege schwebt,
Der winket unserm Kampf;
Zum Siege, ob er herrlich ist,
Ob nur dem Seist bewußt:
Ich hab' getan zu meiner Frist,
Was mächtig meine Brust.
Ob allem schwebt die Weihenacht,
Die ohne Worte spricht,
Allein mit ihrer Weihe Macht:
Vertrauet meinem Licht!
Hermann Hango
Als vom Prophetenwort getragen
Das Licht erflammte im Gefild,
Die Hirten auf den Knieen lagen,
Im Forste menschlich sprach das Wild,
Als Erd' und Himmel sich nicht schieden,
Am Thron die Schar der Engel stand,
Da winkte lächelnd Gott dem Frieden:
"Zieh pilgernd über Meer und Land!
"Zieh hin! Bei Guten und bei Bösen,
In allem Volke werde Gast.
Von ihren Schultern sollst du lösen
Ein Stündchen lang die Kainslast!
Sie sollen nicht im Wahnsinn sterben,
Wenn auf der Erde voller Blut,
Auf eignen armen Lebensscherben
Ihr schuldverwirrtes Auge ruht!"
Noch wandelt jetzt auf leisen Sohlen
Der Engel tröstlich durch die Welt.
Er naht. - Ein tiefes Atemholen,
Ein Glückshauch ringt zum Sternenzelt.
Das Licht erhellt die dunklen Gründe,
Verhüllten Hauptes flieht das Weh,
Aufschluchzend birgt die müde Sünde
Das Antlitz in den reinen Schnee.
Das Schwert, das sich zum Schlag erhoben,
Es sinkt und ist des Mordens satt,
In süßes Träumen eingewoben
Erschweigen Lärm und Kampf der Stadt.
Wie schwer der Nord sein Linnen wirke,
So tief ist doch kein Dach verschneit,
Es jubelt um die schlanke Birke
Ein Häuflein Kinderseligkeit.
Im Kirchhof funkelt es von Kerzchen,
Die Mutter wehrt den Winden ab,
Sie pflanzt dem armen toten Herzchen
Den Lichterbaum aufs kalte Grab,
Und selbst das Tier soll heut nicht darben,
Der Bauersmann setzt fromm dem Wild
Den Ährenstrauß der goldnen Garben
Zum Weihnachtsgruß ins Schneegefild.
Der Engel horcht mit feinen Ohren,
In jedem Dörfchen ist er Gast,
Dem Schiff, im Ozean verloren,
Klebt er die Lichter an den Mast,
Das derbe Volk in strupp'gen Haaren,
Das auf dem Deck anbetend kniet,
Sieht holde weiße Kinderscharen
Herniederschweben vom Zenith.
Der Engel regt die reinen Schwingen,
Im Schneefeld lauschen Strauch und Halm,
Die fernen goldnen Sterne klingen,
Und jeder Windhauch wird zum Psalm.
Die Erde lauscht dem Himmelsliede,
Und fromm durch ihre Völker her
Erschwillt die Botschaft "Friede - Friede!"
Und wandert über Land und Meer.
Jakob Christoph Heer
Als einst im Marmorsaale in der Vasallen Kreis
Geweilt beim Weihnachtsmahle der königliche Greis,
Rief einer von den Gästen: "Ihr Herrn, denkt nach und nennt
Von Euren Weihnachtsfesten das schönste, das Ihr kennt."
"Die Nacht war's," sprach der eine, "da mir - o seliger Traum! -
Zum erstenmal die Meine geschmückt den Lichterbaum."
Der pries das Festgeschmeide der ersten Tanne laut,
Auf das in heller Freude sein jauchzend Kind geschaut.
"Zuhöchst", gestand ein dritter, "ist mir das Christfest wert,
An dem voll Huld zum Ritter mich schlug des Königs Schwert."
So mit beredtem Munde gab jeder Gast ringsum
Vom schönsten Christfest Kunde. Der König nur blieb stumm.
"Willst Du die Weihnachtsfeier", begann der Kanzellar,
"Nicht künden, Herr, die teuer wie keine sonst Dir war?"
Die Mettenglocken klangen - der länderreiche Mann
Saß lauschend, traumbefangen; dann hub er zögernd an:
"Es war im Jahr des Krieges, des Unglücks und der Schmach,
Als das Juwel des Sieges aus meiner Krone brach.
Die Krone selber wankte auf meinem Königshaupt,
Das lecke Staatsschiff schwankte im Sturme mastberaubt.
Die Bösen waren verschworen, mein gutes Volk verhetzt,
Das Spiel - es schien verloren, der König matt gesetzt. -
Mich menschenscheu begrabend im tiefsten Waldesschoß,
Ritt ich am Heiligen Abend nach, Weidlust' auf mein Schloß.
Da traf ich plötzlich mitten im überschneiten Wald -
Ich war wohl irr geritten - ein Kirchlein grau und alt.
Umsaust von weißen Flöckchen stand's mutterseelenallein;
Es lud ein heis'res Glöckchen zum Amt der Mette ein.
Ich stieg von meinem Schecken und trat durch das Portal.
Verwittert waren die Decken, die Wände feucht und kahl;
Von Stümperhand gezimmert sah ich ein Kripplein steh'n,
Verstaubt und halb zertrümmert, wie ich noch keins geseh'n.
Und in dem morschen Spindlein lag hüllenlos und bleich
Das ärmste Jesuskindlein in meinem Königreich.
Es fiel auf seine Glieder der Ampel flackernd' Licht -
Mir war, als hüb's die Lider und säh' mir ins Gesicht
Mit Augen wie zwei Sonnen und spräche: Hör' mir zu!
Auch ich trug stolze Kronen, viel stolzere als du.
Der Macht bin ich enteignet, mein Herrscherstab zerbrach,
Mein Volk hat mich verleugnet, die Hasser stell'n mir nach.
Steh' still, steh' still ein wenig und hab' der Mahnung acht:
Die Macht ist's nicht, o König, die einen König macht!
Im Unglück, in der Blöße, besiegt, verfolgt, verschmäht,
Zeigt sich die wahre Größe der echten Majestät.
So hat das Kind geredet. Ich stürzte auf die Knie
Und hab zu Gott gebetet so brünstig wie noch nie.
Es sprudelten die Quellen der Tränen heiß und jäh,
Und mit den heißen Wellen zerrann mein heißes Weh ...
Drauß' schwieg des Wetters Toben, still war's ums Haus des Herrn;
Im klaren Äther droben stand leuchtend Stern an Stern. -
Das war, sprach heimwärts trabend, ich leise vor mich hin,
Der schönste Weihnachtsabend, seitdem ich König bin."
Ottokar Kernstock
Dezember. Tags vorm heiligen Abend.
Ein Tag, so nebelschwer verhangen,
Als müsse eine Nacht ihm folgen,
Die alle Sterne, auch den Weihnachtstern,
Ertrinken lässt.
Ein Träumender wandle ich durch den Wald.
Zwischen den grauen Buchenstämmen,
In deren Gipfel der erste Reif
Lauter glitzernde Kronen gehängt,
Stehen die weissen Nebelfrauen,
Halten die Hand, einen Reigen bildend,
Der die Welt weit hinter dem Wald
Wie eine Wand verschliesst.
Kein Wort, das in das grosse Schweigen weht,
Nur Ewigkeit, die ihre stumme Sprache spricht,
Und meines Herzens Heimwehschlag,
Der in demselben Takt erwiedert.
Wie wandr ich weit der Welt der Wirklichkeit!
Wie bin ich nah der Ueberwelt,
Die aus den weissen Nebeln winkt ...
Da - plötzlich aus dem Spalt der Berge
Stürzt eine Stimme durch die Stille,
Ein tiefer, tröstender Urweltton:
Die Stimme einer tiefen Glocke,
Die meine ganze Jugend läutet,
Mein reinstes Glück, die stillsten Stunden,
Das Paradies, den Kinderglauben.
Sie wollte dieser Welt den Abendsegen läuten,
Die Nähe einer neuen Nacht -
Mir riss sie den verschlossenen Himmel
Entzwei, und durch die offene Spalte,
Die nur ein dünner Schleier deckt,
Bricht schon der Weihnacht Widerschein,
Ein Strahl vom ewigen Weihnachtsstern!
Über den Nebeln
Schwebt auf den Klängen
Der heiligen Glocke
Versöhnt die Seele
- Ein goldenes Wölkchen -
Hinauf und heim.
Karl Ernst Knodt