Marienlieder


Marienlieder Marienlied


Weihnachtslied

(Für Fritz von Uhde)

Maria lag in großer Not,
Mit Lumpen angethan,
In einem Stall zu Bethlehem
Und sah die Stunde nahn,
Da sie ein Kindlein haben sollt.
Der Himmel stand in lauter Gold;
Da hub ein Singen an:

"Süße Maria, sei getrost;
Das um dich ist kein Stall.
Blick um dich, allerholdste Frau,
Und sieh die Gäste all,
Die von weither gekommen sind,
Dich zu begrüßen und dein Kind
Mit Flöt- und Geigenschall."

Und wie Marie ihr Haupt erhob,
Oh Wunder, was sie sah:
Es knieten auf der schlechten Streu
Drei goldne Könige da,
Und, wie wenns ihr Gefolge wär,
Ein Heer von Engeln stand umher
Und sang Hallelujah.

Es war ein Licht und war ein Glanz,
Wie sie es nie gesehn,
Und vor den Thürn und Fenstern war
Ein Auf- und Niedergehn,
Als ging die ganze Welt vorbei;
Da hört sie einen leisen Schrei:
Da war das Glück geschehn.

Maria strahlte wie ein Stern
Und hob das Kind empor;
Das war so hold und engelschön,
Wie nie ein Kind zuvor.
Die Wände sanken, und die Welt,
Die weite Welt war rings erhellt,
Und alles sang im Chor:

"O seht die Blume, die da blüht,
Die Blume weiß und rot!
Der Kelch ist von der Lilie,
Ein Herz darinnen loht.
Nun ist die ganze Erde licht,
Wir fürchten Schmerz und Trauern nicht
Und fürchten nicht den Tod.

Die Blüte leuchtet uns den Tag,
Und es versank die Nacht,
Und aus der Blüte wird die Frucht,
Die Alle fröhlich macht;
Die Frucht, die Allen Nahrung giebt,
Der Mensch, der alle Menschen liebt:
Die Liebe ist erwacht."

Der Chor verklang. Es sank der Stall
In braune Dunkelheit.
Maria gab dem Kind die Brust.
Still ward es weit und breit.
Da ward Marien im Herzen bang,
Sie küßt ihr liebes Kindlein lang,
Ihr that ihr Kindlein leid.

Otto Julius Bierbaum


Mariä Sehnsucht

Es ging Maria in den Morgen hinein,
That die Erd' einen lichten Liebesschein,
Und über die fröhlichen, grünen Höh'n,
Sah sie den bläulichen Himmel stehn.
"Ach, hätt' ich ein Brautkleid von Himmelschein,
Zwei goldene Flüglein - wie flög' ich hinein!" -

Es ging Maria in stiller Nacht,
Die Erde schlief, der Himmel wacht',
Und durch's Herze, wie sie ging und sann und dacht',
Zogen die Sterne mit goldener Pracht.
"Ach, hätt' ich das Brautkleid von Himmelsschein,
Und goldene Sterne gewoben drein!"

Es ging Maria im Garten allein,
Da sangen so lockend bunt' Vögelein,
Und Rosen sah sie im Grünen stehn,
Viel' rothe und weiße so wunderschön.
"Ach, hätt' ich ein Knäblein, so weiß und roth,
Wie wollt' ich 's lieb haben bis in den Tod!"

Nun ist wohl das Brautkleid gewoben gar,
Und goldene Sterne im dunkelen Haar,
Und im Arme die Jungfrau das Knäblein hält,
Hoch über der dunkelerbrausenden Welt,
Und vom Kindlein gehet ein Glänzen aus,
Das ruft uns nur ewig: nach Haus, nach Haus!

Joseph Freiherr von Eichendorff


Idyll

Maria, unterm Lindenbaum,
Lullt ihren Sohn in Schlaf und Traum.

Herr Joseph auch, der wackre Greis,
Ist eingenickt und schnarcht ganz leis.

Vier Englein aber hocken dicht
Auf einem Ast und schlafen nicht.

Sie schlafen nicht und singen sacht,
Kein' Nachtigall es besser macht.

Groß überm Wald her, Himmelsruh,
Hebt sich der Mond und guckt herzu.

Maria reißt die Augen auf,
Ihr fiel ein Schlummerkörnlein drauf.

Und ist erst in der halben Nacht,
Daß sie bei ihrem Kind gewacht.

Sie sieht in all den Silberschein
Mit großen Augen still hinein.

Hört kaum das Lied von obenher,
Ihr Herz ist bang, ihr Herz ist schwer.

Ein Tränlein fällt ihr auf die Hand
Und blitzt im Mond wie ein Demant.

Gustav Falke


Krippe und Kreuz

"Nennet mich nicht Noemi, d. i. die Schöne,
sondern nennet mich Mara, d. i. die
Bittere; denn der Herr hat mich mit
Bitterkeit erfüllt." Ruth 1, 20.


1. Noemi, d. i. die Schöne.

Im stillen Thalesgrunde in funkelnder Winternacht
Aufs holde Kindlein im Schoße die seligste Mutter lacht.
Ein Engel hat's ihr verkündet, der Himmel hat nicht getrogen;
Derweil sie das Kindlein betrachtet, viel Himmelswonnen im Herzen ihr wogen.

Wohl kleiden es dürftige Windeln, doch ist es ein Königssohn;
Wohl ruht es im kalten Stalle, doch herrscht es auf fürstlichem Thron;
Wohl schüttelt der Frost seine Glieder, doch grüßen es freudig die Sterne;
Wohl ferne die Menschen weilen, doch Engel nahen und dienen ihm gerne.

Und von der Liebe bewältigt, singt sie dem lieben Sohn,
Still lauschen Gottes Engel; das klingt wie Harfenton:
"Mein Augentrost! meine Wonne! Mein Gott ward mir zum Kinde.
Mir will das Herz zerschmelzen ob dem seligen Himmelsangebinde.

"O wolle Dich nun erbarmen der fluchbeladenen Welt!
Du bist ja der Ewige, Starke, der des Himmels Scepter hält."
So singt die seligste Mutter dem göttlichen Kinde entgegen. -
Der Mutter erstes Grüßen ist Mutterliebe und Muttersegen.


2. Mara, d. i. die Bittere.

An kahlen Hügels Halde, das Auge von Thränen umflort,
Da sitzt die Ärmste der Mütter, das Herz von Schmerz durchbohrt.
Da steht noch der blutige Schragen, an dem ihr Herzliebster erstarrte,
Da drüben die Grabeshöhle auf die Leiche des einzigen Sohnes schon harrte.

Da drunten die gottvergeßne, die gottverlassene Stadt,
Die ihrem großen Erretter so schmählich vergolten hat.
Er hat ihre Kranken geheilet, er hat ihre Toten erwecket;
Sie hat ihn ans Kreuz geschlagen, mit Schmach und blutigen Wunden bedecket.

Jetzt liegt er im Schoße der Mutter; sie zählet die Wunden tief;
Ach, wie sie in endlosem Wehe und schmerzlicher Klage rief:
"Wer hat Dich, mein Liebster, gefangen? wer hat Dir Dein Herz durchstochen?
Sie haben mit Deinem Herzen auch meines in tödlichen Qualen gebrochen!

"Doch habe Erbarmen! Erbarmen! Sie wissen nicht, was sie gethan.
O, wolle sie nicht vernichten! Sie thaten's in blindem Wahn."
So fleht die betrübte Mutter, da den Sohn zu Grabe sie legen. -
Der Mutter letztes Bitten ist milde Versöhnung und Muttersegen.

Fritz Esser


Weihnachtslegende

Ich bin durch Winter und Wald gegangen,
Eia Maria,
Ich bin durch den Winterwald gegangen,
Sah alle Tannen voll Sternen hangen,
Engel standen im Schnee und sangen,
Eia Maria.

Auf einer Lichtung im weißweißen Wald,
Eia Maria,
Erschien deine gebenedeite Gestalt,
Deine Augen strahlten solche Gewalt,
Daß ich mich zitternd am Baum gekrallt,
Eia Maria.

Du trugst auf deinen Armen lind,
Eia Maria,
Das himmlische, das irdische Kind,
Und dein Gefolge war Schnee und Wind,
Reh, Wiesel und Maulwurf blind,
Eia Maria.

Du zeigtest den Tieren deinen Sohn,
Eia Maria,
Die Menschen haben für ihn nur Hohn -
Da neigten sich Hirsch und Hase schon,
Der Wind wehte sanft, der Schnee fiel wie Mohn,
Eia Maria.

Du stiegest empor durch Tann und Farr,
Eia Maria.
Da beugten die Bäume sich mit Geknarr,
Da neigten die Felsen sich felsicht und starr,
Und da kamen auch Menschen - ein Kind und ein Narr -
Eia Maria.

Klabund


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