Adventsgedichte
Es treibt der Wind im Winterwalde
die Flockenherde wie ein Hirt,
und manche Tanne ahnt, wie balde
sie fromm und lichterheilig wird,
und lauscht hinaus. Den weißen Wegen
streckt sie die Zweige hin - bereit,
und wehrt dem Wind und wächst entgegen
der einen Nacht der Herrlichkeit.
Rainer Maria Rilke
Hört, es schallen Himmelslieder
Lieblich zu der Erde nieder:
In der heil'gen Nacht
Gottes Liebe wacht!
Halleluja!
In den Festesklang der Glocken
Mischt sich jubelndes Frohlocken:
Gnade wird uns heut
In der Weihnachtszeit!
Halleluja!
Die so treu am Heiland hangen,
Mög' sie alle lieb umfangen
Bei dem Lichterbaum
Sel'ger Kindheit Traum!
Halleluja!
Julius Gersdorff
Nun packt die lauten Fiedeln ein!
Laßt ab vom Schwank und Tanz.
Es kommt die Braut des Jesulein
In ihrem Hochzeitskranz.
Wie ihre Kerze flammt und brennt -
Gleich einem goldnen Stern!
Sankt Kathrein bringt euch den Advent,
Nun harret auf den Herrn!
Nun richtet eure Herzen wohl
Zu einer Wiege fein:
Sankt Kathrein trägt das Himmelskind,
Das blonde Jesulein.
Sankt Kathrein schreitet still ins Land,
Weit überm weißen Schnee
Flammt purpurrot ihr Blutgewand,
Sie kommt aus Qual und Weh.
Es grünt ihr frischer Palmenzweig,
Es gleißt ihr Marterrad.
Es tut sich auf ein Himmelssteig
Allwo Sankt Kathrein naht.
Therese Keiter
Trüb vertrauert' ich den Tag. Denn eine Wolke
Hing, wie überm Herz, so über meinem Volke.
"Sieh! Er kommt, Dein König!" -: das klang so umdüstert,
Wie der Herbstwind draußen in den Pappeln flüstert.
Und ich mußte weinen, weil nach so viel Jahren
Immer noch die Christen fern dem Christus waren.
Auf der hohen Wolke ließen sie entschweben,
Den wir doch, wie Keinen, brauchen für das Leben.
In die Kirchenmauern hatten sie getrieben,
Der auf diese Erde kam, die Erde lieben.
Und Den sie zum Weltenrichter taten krönen,
Lebte, litt und starb Der nicht, uns zu versöhnen?
Himmelsglorie hatten sie ums Haupt gewunden
Ihm, der an Geberden als ein Mensch erfunden.
Der in allem sündlos ward versucht auf Erden,
Uns zu zeigen, wie wir Menschen Gottes werden.
Drum auch stand Er ferne all' dem dumpfen Beten
Der doch mitten unter uns als Freund getreten.
Trotz des Glockenläutens war Er nicht gekommen
Den vom Himmel her erhofft aufs neu' die Frommen,
Den sie nicht in einer Einigen Kirche fühlen,
Dem sie noch das Herz mit Zank und Streit zerwühlen ...
Darum klagt' ich ... Mit mir klagt und fragt das Leben:
Wann wird wohl der Heiland neu sein Haupt erheben?
Und der Erde Dunkel wie ein Licht durchwandeln? ...
- Freunde, hört es! Wenn in Seinem Geist wir handeln!
Karl Ernst Knodt
Es gibt so wunderweiße Nächte,
drin alle Dinge Silber sind.
Da schimmert mancher Stern so lind,
als ob er fromme Hirten brächte
zu einem neuen Jesuskind.
Weit wie mit dichtem Demantstaube
bestreut, erscheinen Flur und Flut,
und in die Herzen, traumgemut,
steigt ein kapellenloser Glaube,
der leise seine Wunder tut.
Rainer Maria Rilke
Die Türen sind verschlossen so fest, so fest,
Daß sich von mir nicht eine mehr öffnen läßt.
Es schlossen Menschen, Bücher und Sünden sie.
Sie werden mir im Leben sich öffnen nie.
Vergangenheit ist stärker als meine Kraft
Und hält die Schlösser alle und mich in Haft.
Sie hat die Schlüssel heimlich entwendet mir
Und will mich frei nicht lassen und nicht zu dir.
- Und sind die Türen alle verschlossen auch,
Verspürt' ich deines Wesens doch einen Hauch.
Nun sehnt nach dir die Seele sich ohne Ruh,
Kann sie zu dir nicht kommen, komm zu ihr du.
Der bei verschloss'nen Türen vor Thomas trat:
Sieh, Herr, die Seele wartet auf deine Tat! - -
Wilhelm Langewiesche
Nun grüßen wieder Weihnachtsglocken
Hinauf zum weiten Sternenraum,
Und helles, seliges Frohlocken
Umklingt den lieben Weihnachtsbaum.
O Weihnachtszeit, o Kinderglück,
Zur Heimat führst du uns zurück.
Kind in der Krippe, Deinem Lieben
Sinnt wieder uns're Seele nach,
Liest, was der Himmel uns geschrieben
An jenem ersten Weihnachtstag,
Und grüßt den hellen Morgenstern,
Uns aufgegangen mit dem Herrn.
O Gnadengut, das Gott bescheret,
O Liebesmacht, die uns erfaßt,
Du Licht, das jede Nacht verkläret,
Du Träger uns'rer Kreuzeslast,
Du Schmerzensmann im Dornenkranz,
Erneure uns im Weihnachtsglanz.
O Jesus Christus, gestern, heute,
Birg sicher uns in deinem Schoß,
So sind wir von der finstren Meute
Der dunklen Erde ewig los;
Und fürchten auch in deinem Licht
Den Krippenschrein des Todes nicht.
Komm, aller Menschen Wohlgefallen,
Wir wollen gleich den Hirten sein,
Dir nach zum sel'gen Anschau'n wallen,
Den letzten Seufzer dir noch weihn.
Bis wir bei dir, du Friedenshort,
Dich preisen mit den Engeln dort.
Dora Naumann
O Bethlehem, du sanfte Weide,
Christnacht, du heil'ge Wundernacht,
Licht an der dunklen Wegesscheide,
Wie selig mich dein Schimmern macht!
Ich darf der Engel Botschaft lauschen,
Die große Freude gilt auch mir;
Durch alle Himmel hör' ich's rauschen:
"Der Heiland kommt, er naht auch dir!"
Nun seh' ich ob der Erde Dunkel
Den Wunderstern "Erlösung" stehn;
Darf wie ein Kind durch's Glanzgefunkel
Der Christnacht in den Himmel sehn.
Nun weiß ich, wo den Frieden holen:
Zum Hirtenhause geht der Lauf;
An deiner Gnade heil'gen Polen
Schlag' ich mein Zelt zum Bleiben auf.
Mag alle Welt in stolzem Wähnen
Das gottgeschenkte Heil verschmähn,
Ich will mich an dein Kripplein lehnen,
Kann nirgends bess're Hilfe sehn.
Ich halte mich am Holz des Lebens,
Das neben deiner Krippe ragt,
Da, Heiland, hab' ich nie vergebens
Auf deinen Namen es gewagt.
Von deiner Liebe will ich sagen,
Bis ich zur Weihnacht droben geh'.
Dich will ich treu im Herzen tragen,
Bis ich dir dort in's Antlitz seh'! -
Dora Naumann