Weihnachtsgeschichte in Versen
In dumpfer Kerkerzelle saß und sann
Am heil'gen Abend ein gebeugter Mann;
Herr Heinrich, der des Reiches Krone trug,
Und den der eigne Sohn in Ketten schlug -
In seine schmerzbewegte Seele klang
Von Bethlehem der Engel Lobgesang.
Den Frieden pries der süße Himmelston,
Mit frechem Schwerte trotzte ihm der Sohn - -
Er sann und dachte seinem Leben nach,
Und dunkler ward und dunkler das Gemach.
Von Bethlehem das holde Himmelslicht,
Es fand den Weg zu seinem Herzen nicht - -
Ein Traum umfing ihn, und sein Antlitz ward,
Als wär's in Stein gemeißelt, kalt und hart:
Zu seinen Füßen, blutig und bestaubt,
Sah er des frevelnden Empörers Haupt.
Verruchte Sünde fand verdienten Lohn.
Und doch! Und doch! Es war sein Sohn! Sein Sohn! -
Ein Stöhne aus dem Vaterherzen bricht,
Doch ehern bleibt des Kaisers Angesicht.-
Da naht ein Schritt-Wer sucht zu dieser Zeit
Des stillen Thurmes grause Einsamkeit?
Und näher kommt's, die Thür bewegt sich sacht,
Herr Heinrich ist aus schwerem Traum erwacht
Und staunt und staunt: Bestrahlt vom Kerzenschein
Eintritt des Burgvogts blondes Töchterlein.
Die Kleine bringt ihm einen Weihnachtsbaum,
Den stellt sie mitten in den kahlen Raum
Und schaut den bleichen, friedelosen Mann
Mit großen, frommen Kinderaugen an
Und singt in süßem, freudehellem Ton
Das Lied von Gottes eingebor'nem Sohn,
Die Friedensbotschaft, die vom Himmelszelt
Einst Engel brachten in die arge Welt -
Da beugte sich des Kaisers Majestät
Vor Gott dem Herrn in schweigendem Gebet. -
Und leis verklang der Liebe hohes Lied,
Mit stummem Gruß das scheue Mägdlein schied.
Und sacht erlosch der Kerzen heller Schein,
Herr Heinrich blieb im Dunkeln und allein.
Und auf den Knie'n hat er die ganze Nacht
In Liebe des verirrten Sohn's gedacht.
Wilhelm Langewiesche
Müde war ich des Getriebes
Und von Grillenspuk geplagt,
Keiner, der mir etwas Liebes
Mit der Freundschaft Stimme sagt.
Rings ein Haufe fremder Massen -
Und ein stolzer Schutzmann ritt ...
Und so ging ich durch die Gassen
Trotzig und mit hartem Schritt.
Glitzernd aus den Erkern streuten
Helle Birnen weißes Licht,
All die bunten Dinge freuten
Mein umflortes Auge nicht.
Und ein Schmerz, ein nie gefühlter,
Trieb mich durch die frohe Schar,
Der ich wie auf meerumspülter
Insel ganz vereinsamt war.
Plötzlich an der Straßen Ecken,
Wo das Volk sich klemmt und staut,
Streift mir, wie mit sanftem Necken
Leicht ein grüner Zweig die Haut.
Aufgeputzt mit Tand und Bändchen,
Auf den Ästchen Flock' und Schaum,
Schwankt in roten Kinderhändchen
Mir vorbei ein Weihnachtsbaum.
"Um Verzeihung, Herr, ich bitte" - -
Kind, da ist nichts zu verzeihn.
Faß das Bäumchen in der Mitte;
Siehst du, so wird's besser sein ...
Wie ich so dem Bübchen richte
Seine froh geschleppte Last,
Ist mir's doch, als hätt' das schlichte
Bäumchen meine Hand gefaßt.
Ist es mir, als ob mich streichelt'
Leise sein geschmückter Zweig;
Ein erinnernd Düften schmeichelt
Sich ins Herz mir, gut und weich.
Fernher hör' ich Weihnachtslieder
Und der Lärm der Straße schweigt,
Und aus Abendwolken nieder
Meine tote Jugend steigt.
Stimmen wie aus tiefer Ferne
Klingen gütig mir herauf,
Und es schlagen goldne Sterne
Ihre Himmelsaugen auf.
Und der kleine Kaufmannsladen
Breitet seine Schätze aus,
Und ein Schwarm von Zinnsoldaten
Macht Paradeschritt durch's Haus.
Und mit ihren Zittertönen
Fällt die alte Spieluhr ein:
Kling und klang, bei all dem Schönen
Darf sie nicht vergessen sein.
Und auf bunten Tellern häufen
Braune Kuchen sich zum Fest,
Und die kleinen Lichter träufen
Köstlich Wachs in das Geäst ...
So, nun faß und lauf, mein Kleiner,
Sei ein froher Weihnachtsgast,
Diesen Taler schenkt dir einer,
Dem du mehr gegeben hast.
Heb dir auf als kluger Sparer,
Was du heute nicht verstehst,
Daß du einst als Undankbarer
Nicht durch frohe Menschen gehst!
Rudolf Presber
Ein feiner Dunst liegt in der Luft,
Der Wald steht tief in Träumen,
Nur manchmal löst im Abendwind
Ein zitternd Flöckchen sich und rinnt
Schlaftrunken von den Bäumen ...
Die Peitsche knallt, der Schlitten saust,
Die Silberschellen klingen,
Wir sitzen, Arm an Arm geschmiegt,
Ein blasses Winterseelchen fliegt
Um uns mit weißen Schwingen
Und spricht:
Wie heiß euer Athem weht!
Mein kaltes Kleidchen zergeht
Vor seinem Hauch;
Es schlagen Flammen
Aus euren Augen,
Und eure Hände
Und eure Seelen
Die glühen auch. -
Wir sind so kühl ...
Schnee unser Pfühl,
Schnee unsre Speise;
Und unser Herzchen schlägt
Unter dem weißen Kleid
Ganz leise. -
Wenn die Sonne scheint,
Ziehn wir erschrocken
Die Mützchen über das Ohr,
Fassen uns an und hocken
Unter den Zweigen. -
Aber der Vater weint ...
Der Vater ist alt
Und die Mutter jung,
Und die Sonne weckt
Die Erinnerung
An das lachende Leben!
Dann liegt sie unter den weißen Decken
So traumhaft schön,
Kleine, kichernde Seufzer wehn
Um ihrem Mund, die Hände recken
Sich sehnsüchtig aus,
Und über der Brust, der große Strauß
Eisiger Blüthen nickt dazu:
"Schlafe, liebe Königin du ...!"
Aber der Vater weint!
Wir fürchten uns,
Wenn die Sonne scheint ..."
Die Peitsche knallt, der Schlitten saust,
Das Seelchen ist zerstoben,
Unmerklich hat die Winternacht
Die ganze, weiße Märchenpracht
Mit Dunkelheit umwoben.
Zu Thale gehts, es stäubt der Schnee,
Die Silberschellen klingen,
Am Wege blitzen Lichter auf,
Der Lärm der Stadt wacht brausend auf,
Und kleine Buben singen:
"Morgen kommt der Weihnachtsmann .."
Anna Ritter
Durch schwülen Wald in Sommertagen,
Wo der Pirol aus Wipfeln rief,
Sonst alles ruhte, alles schlief,
Da ging ich, wo man Holz geschlagen.
Der sommerlichen Sonne Gluthen,
Sie senkten sich in gold'nen Fluthen
Hin auf den unbeschützten Grund -
Ein süsser Fichtennadelduft
Erfüllte rings die heisse Luft
Still brütend in der Lichtung Rund.
Und wie auf Schwingen fortgetragen
Hinflog mein Geist zu Wintertagen,
Wo in des Zimmers stillem Kreis
Der Tannenbaum die harz'gen Düfte
Haucht in die sanftdurchwärmten Lüfte,
Und Rauschgold knistert zart und leis.
Und meinen Busen fühlt' ich's dehnen,
Und mich befiel ein kindlich Sehnen
Nach dir, du holde Weihnachtszeit.
Was darf man in des Sommers Reichen
Wohl deinem stillen Glanz vergleichen
Und deiner trauten Heimlichkeit!
Die Zeit verging. - In Wintertagen
Da wurden Buden aufgeschlagen
Mit all dem sonderlichen Tand.
Das Wunder stieg vom Himmel wieder
Auf die verschneite Erde nieder -
Die heil'ge Weihnacht kam ins Land.
Es stand die schöngeschmückte Fichte
In farb'gem Glanz, in hellem Lichte,
Ein goldumglänzter Märchenbaum.
Doch, als der Zweige harz'ges Düften
Nun schwebte in den warmen Lüften,
Kam's über mich gleichwie ein Traum.
Da ward mein Geist hinweggetragen
Zu gluthgetränkten Sommertagen -
Ich hört' ihn rufen, den Pirol,
Und Vogelsang, und blüh'nde Wälder,
Und grüne Wiesen, gold'ne Felder -
Ein Märchen schienen sie mir wohl. -
Und meinen Busen fühlt' ich's dehnen,
Und mich befiel ein tiefes Sehnen
Mit drängend lieblicher Gewalt,
Und als ein Glück, nicht auszusagen,
Erschien es mir: in Sommertagen
Zu wandern durch den grünen Wald!
Heinrich Seidel