Weihnachtsbaumgedichte
Nun tragt ins Zimmer mir herein
Den grünen Tannenbaum.
Ich möchte einmal träumen noch
Den süßen Weihnachtstraum.
Die goldnen Nüsse bringt herbei
Aus dem verschlossnen Spind,
Die roten Kugeln auch, die noch
Nicht all' zerbrochen sind.
Und packt die alte Krippe aus:
Den Stall mit seinem Stern,
Maria, und den Josef fromm,
Und unsren lieben Herrn.
Die Weisen aus dem Morgenland,
Der Engel goldne Schar,
Den Hirten, dessen runder Kopf
Einst voller Locken war.
Den weißen Wachsstock nimm vom Sims,
Den ich zu Kerzlein schnitt.
Er ward geweiht am Lichtmeßtag,
Ich selber bracht' ihn mit.
Und setz' dich nieder am Klavier,
Damit das süße Lied
Vom Jesulein aus Davids Stamm
Die Seele mir durchzieht.
Dann schließ' ich meine Augen zu.
Des Lebens Qual verrinnt.
Ich knie am alten Krippchen hin
Und bin ein selig Kind.
Therese Keiter
Der erste Tannenbaum, den ich gesehn,
Das war ein Weihnachtsbaum im Kerzenschimmer;
Noch seh' ich lieblich glimmend vor mir stehn
Das grüne Wunder im erhellten Zimmer.
Da war ich täglich mit dem Frühsten wach,
Den Zweigen gläubig ihren Schmuck zu rauben;
Doch als die letzte süße Frucht ich brach,
Ging es zugleich an meinen Wunderglauben.
Dann aber, als im Lenz zum ersten Mal
In einen Nadelwald ich mich verirrte,
Mich durch die hohen stillen Säulen stahl,
Bis sich der Hain zu jungem Schlag entwirrte:
O Freudigkeit! wie ich da ungesehn
In einem Forst von Weihnachtsbäumchen spielte,
Dicht um mein Haar ihr zartes Wipfelwehn,
Das überragend mir den Scheitel kühlte.
Ein kleiner Riese in dem kleinen Tann,
Sah ich vergnügt, wo Weihnachtsbäume sprießen;
Ich packte keck ein winzig Tännlein an
Und bog es mächtig ringend mir zu Füßen.
Und über mir war nichts als blauer Raum;
Doch als ich mich dicht an die Erde schmiegte,
Sah unten ich durch dünner Stämmchen Saum,
Wie Land und See im Silberduft sich wiegte.
Wie ich so lag, da rauscht' und stob's herbei,
Daß mir der Lufthauch durch die Locken sauste,
Und aus der Höh' schoß senkrecht her der Weih,
Daß seiner Schwingen Schlag im Ohr mir brauste.
Als schwebend er nah ob dem Haupt mir stand,
Funkelt' sein Aug' gleich dunkeln Edelsteinen;
Zu äußerst an der Flügel dünnem Rand
Sah ich die Sonne durch die Kiele scheinen.
Auf meinem Angesicht sein Schatten ruht'
Und ließ die glühen Wangen mir erkalten -
Ob welchem Inderfürst von heißem Blut
Ward solch' ein Sonnenschirm emporgehalten?
Wie ich so lag, erschaut' ich plötzlich nah,
Wie eine Eidechs mit neugier'gem Blicke
Vom nächsten Zweig in's Aug' mir niedersah,
Wie in die Flut ein Kind auf schwanker Brücke.
Nie hab' ich mehr solch guten Blick gesehn
Und so lebendig ruhig, fein und glühend;
Hellgrün war sie, ich sah den Odem gehn
In zarter Brust, blaß wie ein Röschen blühend.
Ob sie mein blaues Auge niederzog?
Sie ließ vom Zweig sich auf die Stirn mir nieder,
Schritt abwärts, bis sie um den Hals mir bog,
Ein fein Geschmeide, ruhend ihre Glieder.
Ich hielt mich reglos und mit lindem Druck
Fühlt' ich den leisen Puls am Halse schlagen;
Das war der einzige und schönste Schmuck,
Den ich in meinem Leben je getragen!
Damals war ich ein kleiner Pantheist
Und ruhte selig in den jungen Bäumen;
Doch nimmer ahnte mir zu jener Frist,
Daß in den Stämmchen solche Bretter keimen!
Gottfried Keller
Grüß' euch Gott, ihr ersten Bäume,
Grüß' dich Gott, du holde Zeit,
Alle sel'gen Kinderträume
Sind erfüllt in Herrlichkeit.
Weihend senkt der Glanz sich nieder
Aus dem ew'gen Kanaan,
Und bereiten Herzen wieder
Ist der Himmel aufgetan.
Elisabeth Kolbe
Er steht und grünt in Einsamkeit.
Der Wald liegt schweigend, tief verschneit.
Er prangt in heller Lichter Glanz
In Weihnachtsfeier-Strahlenkranz. -
Der Frühling schmückt ihn licht im Grün,
An jedem Zweige Lichter blühn.
Sie streben auf zur Himmelsluft
Und füllen sie mit frischem Duft. -
So feiert er in Duft und Pracht
Des Lenzes heil'ge Weihenacht.
Oskar Häring
Welch' lustiger Wald um das hohe Schloß
Hat sich zusammengefunden,
Ein grünes bewegliches Nadelgehölz,
Von keiner Wurzel gebunden!
Anstatt der warmen Sonne scheint
Das Rauschgold durch die Wipfel;
Hier backt man Kuchen, dort brät man Wurst,
Das Räuchlein zieht um die Gipfel.
Es ist ein fröhliches Leben im Wald,
Das Volk erfüllet die Räume;
Die nie mit Tränen ein Reis gepflanzt,
Die fällen am frohsten die Bäume.
Der Eine kauft ein bescheidnes Gewächs
Zu überreichen Geschenken,
Der Andre einen gewaltigen Strauch,
Drei Nüsse daran zu henken.
Dort feilscht um ein winziges Kieferlein
Ein Weib mit scharfen Waffen;
Der dünne Silberling soll zugleich
Den Baum und die Früchte verschaffen.
Mit rosiger Nase schleppt der Lakai
Die schwere Tanne von hinnen;
Das Zöfchen trägt ein Leiterchen nach,
Zu ersteigen die grünen Zinnen.
Und kommt die Nacht, so singt der Wald
Und wiegt sich im Gaslichtscheine;
Bang führt die ärmste Mutter ihr Kind
Vorüber dem Zauberhaine.
Einst sah ich einen Weihnachtsbaum:
Im düstern Bergesbanne
Stand reifbezuckert auf dem Grat
Die alte Wettertanne.
Und zwischen den Aesten waren schön
Die Sterne aufgegangen;
Am untersten Ast sah man entsetzt
Die alte Wendel hangen.
Hell schien der Mond ihr in's Gesicht,
Das festlich still verkläret;
Weil auf der Welt sie nichts besaß,
Hatt' sie sich selbst bescheret.
Gottfried Keller
Bist wieder du gekommen, du holde Weihnachtszeit,
In der mir Elternliebe den Christbaum sonst geweiht!
Heut bist du kalt und frostig im weiten Sturmesmeer,
Nur die Erinn'rung zaubert dich geistig zu mir her;
Sie malet freundlich wieder, was ich mit Schmerz entbehrt,
So ist mir auch im Meere ein Weihnachtsbaum bescheert.
Einst war es dieser Abend, der viel des Schönen bot,
Des Herzens Freude malte dem Kind die Backen roth;
Heut peitscht der Nord, der eis'ge, in's Angesicht die Fluth,
Und färbet meine Wange wie einst mit Purpurgluth.
Einst winkte mir die Fichte, mit Gaben reich geschmückt,
Nach deren dunklen Zweigen ich sehnsuchtsvoll geblickt;
Heut stehen die drei Masten als Weihnachtsbäume da,
Und Silberstangen Eises verzieren jede Raa.
Einst strahlten viele Lichter durch's dunkle Grün am Baum,
Heut schimmern tausend Sterne im weiten Himmelsraum.
Mein Auge schaut zur Höhe so starr und unverrückt,
Wie es in meiner Jugend den Christbaum angeblickt.
So habe ich es wieder, was ich mit Schmerz entbehrt,
So ist mir auch im Meere ein Weihnachtsbaum bescheert.
Heinrich von Littrow