Kritische Weihnachtsverse


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Berliner Weihnacht 1918

Am Kurfürstendamm da hocken zusamm
Die Leute von heute mit grossem Tamtam.
Brillanten mit Tanten, ein Frack mit was drin,
Ein Nerzpelz, ein Steinherz, ein Doppelkinn.
Perlen perlen, es perlt der Champagner.
Kokotten spotten: Wer will, der kann ja
Fünf Braune für mich auf das Tischtuch zählen ...
Na, Schieber, mein Lieber? - Nee, uns kanns nicht fehlen,
Und wenn Millionen vor Hunger krepieren:
Wir wolln uns mal wieder amüsieren.

Am Wedding ists totenstill und dunkel.
Keines Baumes Gefunkel, keines Traumes Gefunkel.
Keine Kohle, kein Licht ... im Zimmereck
Liegt der Mann besoffen im Dreck.
Kein Geld - keine Welt, kein Held zum lieben ...
Von sieben Kindern sind zwei geblieben,
Ohne Hemd auf der Streu, rachitisch und böse.
Sie hungern - und frässen ihr eignes Gekröse.
Zwei magre Nutten im Haustor frieren:
Wir wolln uns mal wieder amüsieren.

Es schneit, es stürmt. Eine Stimme schreit: Halt ...
Über die Dächer türmt eine dunkle Gestalt ...
Die Blicke brennen, mit letzter Kraft
Umspannt die Hand einen Fahnenschaft.
Die Fahne vom neunten November, bedreckt,
Er ist der letzte, der sie noch reckt ...
Zivilisten ... Soldaten ... tach tach tach ...
Salvenfeuer ... ein Fall vom Dach ...
Die deutsche Revolution ist tot ...
Der weisse Schnee färbt sich blutrot ...
Die Gaslaternen flackern und stieren ...
Wir wolln uns mal wieder amüsieren ...

Klabund

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Weihnachtsruf

Wild klingt ein Rufen durch die Zeit,
Es tönt so laut und hart der Streit,
Als wenn zu blut'gem Strauß und Kriege,
Erneut der Haß die Menschen trüge.

Und doch! - Wie wirbt die Festeszeit,
Mit kindlich froher Frömmigkeit,
Am immergrünen Tannenbaume
Um Frieden in dem Erdenraume.

Ist es nicht schon wie Weihnachtstraum
Mit rauschem Gold ein grüner Baum?
Und unter seinen vollen Zweigen
Muß grimmer Haß und Fehde schweigen.

Fühlst du nicht selbst den hehren Tag,
An deines Herzens höherm Schlag:
Wer soll dann Haß und Streit bezwingen,
Und uns von froher Weihnacht singen? -

Ob sich's wohl jährt noch tausendmal,
Bis daß der Mensch in seiner Qual,
Bedeckt mit seines Hasses Wunden,
Den Weg nach Bethlehem gefunden? - -

Ernst Ferdinand Neumann


Weihenacht

Der engen Gassen lautes Jagen
Ließ ich zurück. In Frost erstarrt,
Daß laut mein Schritt am Boden knarrt,
Des Schnees Last die Bäume tragen.
Schon legt sich auf des Tages Dämmer
Ein trüber Hauch, zur Nacht geneigt;
Daß wie im Stillvergessen schweigt
Der Stadt sonst dröhnendes Gehämmer. -

Und unsichtbare Wunderhände bringen
Der Menschheit einen neuen Tag voll Licht,
Der durch die lange Dunkelheit nun bricht,
Mit der er kräftemutig mußte ringen! -
Er geht von Haus zu Haus mit seinem Werben,
Entzündet neu die Fackeln in der Nacht;
Und schlägt dabei mit seiner Gottesmacht
Den Haß, - den Menschenhaß in tausend Scherben! -

Und riesengroß seh ich vom Himmel steigen
Der Menschenliebe lichte Gottgestalt;
Wie sie mit nie bezwungener Gewalt
Dem herben Jammer will die Hände reichen.
Ich sehe wie vom hohen Wolkenfirne
Sie heute sich zur armen Erde neigt,
Und, während sie sich lächelnd niederbeugt -
Küßt sie dem Menschenleid - die bleiche Stirne ...

Ernst Ferdinand Neumann


Weihnachtstraum

Nun brennen die Lichter wieder
Am grünen Baum.
Nun steigt zur sehnenden Menschheit hernieder
Der Weihnachtstraum.
Nun rauscht rings die Feier - voll Nehmen und Geben -
Und neu schreitet wieder
Die Liebe durchs Leben.

Nun ist das Hasten und Jagen
Auf Stunden zu Ende.
Es ruhen vom Schaffen und sorgenden Tagen
Die fleißigen Hände.
Entrückt dem Alltag - an Zeit und Raum -
Menschheit nun träume
Den lieblichsten Traum.

Die Welt, sie geht in Trümmer,
Das ist gewiß.
Doch bleibt der Menschheit immer
Ihr Paradies.
Wenn Erde und Sonne in Staub einst zerfällt - -
Träumt sehnende Seele,
Sich zur besseren Welt. - -

Ernst Ferdinand Neumann


Weihnacht

Des scheidenden Jahres
Tiefem Dunkel
Entsteigt sie leuchtend,
Ein letzter Traum.
Horch!
Schon läutet das Silberglöcklein
Der fernen Kindheit!
Die Türe des Einst,
Die lang verschlossen gebliebene, dunkle,
Springt schimmernd auf
Und mein Herz,
Mein ungeduldig harrendes Herz
Stürzt jubelnd hinein ...
Ah!!
Wie strahlen am Baume des Lebens
Heute die alten goldnen Flitter
Empfangener Güte,
Genossener Liebe,
Vergangenen Glücks!
Singen nicht wie mit Engelzungen
Erinnerungen
Aus blauen Höhn?
Liegt in der Krippe
Erlösung lächelnd, nicht als Heiland
Die neugeborne himmlische Hoffnung?
Ja!
Sie nickt mir zu
Und anbetend glaubt,
Geblendet vom Glanze,
Mein Herz wieder an diesen schönen Gott
Und an Menschengüte
Und Frieden auf Erden
Eine Stunde lang.
Eine selige Stunde,
Bis die Lichter erlöschen ...
Märchenglaube -
Nur einmal im Jahre
Weihst du uns wieder zu glücklichen Kindern,
Nacht der Weihe,
Einzige wahre
Heilige Nacht!

A. De Nora


Das Weihnachtsmärchen

Es ist ein Märchen ergangen von einer Gottesbraut
Und ihrem hochheiligen Kinde: das klingt so muttervertraut!

Es neigen im Stalle die Köpfe andächtig Esel und Rind,
Drei große Könige beugen die Knie vor dem leuchtenden Kind.

Es ist das Märchen ergangen über der Länder Rund,
Zu allen Völkern spricht es mit ihrer Heimat Mund.

Du Märchen unter Palmen, unter dem Mistelreis,
Unter strahlenden Tannenbäumen, Märchen in Schnee und Eis,

Sprichst du denn alle Sprachen, Märchen? Und bist so schlicht! -
"Nein, ich weiß nur die Sprache, so die Liebe spricht ..."

Hugo Salus


Weihnachtszauber

O Weihnachtszauber, Weihnachtslust,
So leuchtest du denn wieder -
Ein allverjüngend Himmelslicht -
In unser Leben nieder!

Auch der von Sünde ward umgarnt
Und der sein Glück betrauert,
Er fühlt von deiner Friedensmacht
Sich sanft und süß durchschauert. -

O Weihnachtszauber, Weihnachtslust,
Du traute Himmelsblüte!
Der Ärmste ist es, der für dich
Kein Heim hat im Gemüte!

Franz Josef Zlatnik


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