Gedichte über die Weihnachtsrose


Winterrose
Der harte Frost, der kalte Schnee,
Der that den lieben Blümlein weh.
Wo sind sie doch, die Röselein
Mit lindem Duft und rothem Schein?
Blau Enzian und Thymian
Und Tausendschön und Majoran,
Das goldne Kräutlein Wohlverleih
Die himmelfarbne Akeley,
Das lustsam Tausendgüldenkraut,
Das, ei! so lieb und wonnig schaut,
Zusammt dem Herrgottsfingerlein,
Und alle, alle, groß und klein,
Die schönen, die lieben,
Wo sind sie doch geblieben?
Die Haide späht' ich auf und ab:
Kein Blättlein grünen Schimmer gab,
Und auf der Wiese durch das Eis
Kein Gräschen sich zu ringen weiß -
Vergangen all, gestorben all,
Und Schauer und Trauer überall.
Laß sein, laß sein, vergangen sein!
So blüht uns doch ein Blümelein,
So tausendschön, so lichter Pracht,
Wie nie ein andres noch gelacht;
Im kalten Schnee, im Winterfrost
Erblüht der rechte Augentrost,
Der Wohlverleih, der jederzeit
Der Welt das rechte Wohl verleiht,
Der Ehrenpreis, deß Ehren man
Genugsam nimmer preisen kann -
Der Himmelsschlüssel Jesus Christ,
Der uns des Himmels Thor erschließt,
Die Edelrose wonnesam,
Entsprossen Jesse's grünem Stamm.
Drum komm' in Freuden Jedermann
Und schau' das liebe Blümlein an:
Maria sitzt in sel'ger Lust
Und drückt es fromm an ihre Brust.
Auch ich will's an mein Herze legen
Und seiner da mit Liebe pflegen.
Friedrich Wilhelm Grimme

