Gedichte zu Weihnachten


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Weihnachts-Triptychon

Seid stille, seid stille! Es drängt mich, in Bildern
Die Weihnacht, wie ich sie schaute, zu schildern:

Zum ersten: ein bleicher Winterabend,
Einsames Volk, sich kniehoch grabend
Den Weg im frischgefallenen Schnee.
An der Halde schläft ein Tannenbaum,
In Flocken gehüllt, und sieht im Traum
- Rotkäppchen - oder ein scheues Reh? -
Im Zwielicht unterscheidet er's kaum. -
Am Himmel erwachen ein Stern nach dem andern
Und grüßen sich fröstelnd im Weiterwandern.
Und im Dorfe der einzige Polizist
Entzündet die einzige Straßenlaterne.
Es liegt ja kein Weiler so dunkel und ferne,
Daß ihn nicht fände der Heilige Christ.

Nun blitzen auch die hundert Scheiben,
Die eisgeblümten, der Ortschaft auf.
Dahinter hocken die Kinder zuhauf,
Zopf an Zopf und Bäcklein an Bäcklein
Im Sonntagsrock und Sonntagsfräcklein.
Und ein Minchen meint: "Wenn der böse Klaus
Nur nicht mit dem Christkind kommt ins Haus!
Sein Sack ist tief, sein Stecken lang,
Sein schwarzer Bart macht einem bang." -
Drauf Konrad, der große Mädchenplager:
"Ich sah ihn heut, in den Stauden lag er.
Grad hat er den Ranzen zugebunden,
Zweihundert Minchen sind drin verschwunden." -
Da sträubt sich alles und wehrt und grollt:
"Der Klaus dich zuerst am Schüttelschopf holt!"
Nur Agneschen, das blonde Bäschen nicht.
Agneschen mit dem stillen Gesicht
Und dem veilchenblauen Augenpaar
Durchs Fensterglas dringet so sicher und klar
Und bittet auf einmal: "Geschwister, o seht,
Was dort so glänzend am Walde steht!
Es kam wie ein Stern in goldigem Bogen
Vom Himmel herab in die Tannen geflogen.
- Da reitet es her, da naht es, o Gott! ..."
Und Konrad: "Hoi, Eselchen, hüst, hoihott!" -
Doch die Mädchen falten die Hände so fromm
Und beten so schüchtern: "Christkindlein, komm!"
Daß des tollen Buben verdammter Spott:
Schon pack' er den Esel an beiden Ohren,
Sie seien zu Stein und Bein gefroren -
In der blühenden Gläubigkeit der Kleinen
Wie ein dürres Baumblatt geht verloren. -

Nun Kirchenstille, kein Schnäufchen laut!
Nur der Bub sich verlegen im Wildhaar kraut.
Steigt ihm auf halb zum Lachen und halb zum Weinen.
Da kommt's ja die Treppen auf wunderbar.
Die Türen springen. Es schreit: "Es ist wahr,
Es ist wahr, und ich glaub' es, o Heiliger Christ,
Daß Du von den ewigen Himmeln bist!" -
Denn so schellet und klingelt kein irdisches Glöcklein,
So blitzt nur ein engelgeschneidertes Röcklein.
Das ist keine Sprach' von den Menschen, den groben,
's ist Geläut und Geblitz und Reden von oben.
Mit unsern Blicken, den staubigen, grauen,
Kann gar kein Auge dem Christkind schauen
Ins offene, sonnenhelle Gesicht.
Selbst durch den wolkigen Schleier bricht
Und blendet noch goldengelbes Licht.
Es bringt auf schwebenden silbernen Füßen,
Mit leisem, göttlichem Nicken und Grüßen
Den herrlich befruchteten Weihnachtsbaum
Und dreht sich und sorgt sich im Stubenraum
Um alle Jungen und kennt sie schon
Nach Namen und Art und Nücken und Tücken
In ihren guten und bösen Stücken
Und redet zu ihnen mit wechselndem Ton.
Belobt das Hannchen und neckt das Minchen
Als überfleißiges Arbeitsbienchen,
Und läßt dann plötzlich aus weißen Schürzen
Spielzeug, Nüsse und Leckerbrot stürzen.
O süßer Schrecken, o heiliger Jubel,
O selige Stube im Christbaumschein!
Heut geht keine Sorge da aus und ein.
- Doch unversehens in den Strubel
Des Buben zehn feine Finger fahren:
"Sieh, Knab', was dorten vom Spiegel droht!
Du bist gescheit und kannst es ersparen." -
Der schlanke Schlingel wird bleich und rot
Und furcht die Stirn und rollt die prächtigen
Samtbraunen Augen, die dunkelnächtigen,
Würget und schlucket und kann aus dem heißen,
Steinharten Kopf doch kein Tränlein reißen. -
Da stellt sich Agneschen vor ihn hin
Und bettelt: "Christkind, laß es gelten
Und tu den schönen Vetter nicht schelten!
Wir dulden ihn gern, wir lieben ihn.
Er ist schon wie ein großer Mann,
Geht uns überall wie ein Vater voran." -
Und das Christkind fein: "Wenn ich's glauben muß,
So gebt ihm alle einen Kuß!"
Gleich küssen die Hannchen, Minchen, Thereschen,
Vor allem das herzige Kind Agneschen,
So wild, als wollten sie ihn essen,
Den Stolzen auf beide glühenden Wangen.
Und sieh, jetzt sind ohne Zwingen und Pressen
Seine Augen mit schimmernden Tropfen behangen. -

Das Christkind geht, und dankenden Schwalls
Hängt man nun Vater und Mutter am Hals.
Sie haben den kleinen Gott ja bestellt,
Sonst käm er wohl nie auf die kalte Welt.
Und der Vater reitet auf hölzernem Roß,
Und die Mutter baut Kirche, Dorf und Schloß,
Und wenn sich ihr Auge verstohlen begegnet,
Das eine des andern Jugend segnet. -
Festmüde schlafen die Kinderlein
Endlich über den Gaben ein.
Da horch, gerade in Nächtensmitte
Eine Glocke schallt, eine zweite, dritte,
Ja, auch das hohe Taufglöcklein
Spielt seine Kinderstimme ein
Und verkündet mit silberheller Lippe
Das Wunderknäblein in der Krippe.
Die Kirche füllt sich, die Orgel schallt,
Und es singt die Gemeinde mit frommer Gewalt
Das süßeste Lied, das je gesungen,
Das uralte: Es ist ein Ros' entsprungen. -
Und die Kleinen zu Haus und die Alten da
Fühlen wieder Bethlehems Wunder nah.

Das ist das Weihnachtsbild im Norden.
Nun ist mir ein zweites im Süden geworden,
Über den Alpen, tief unten zu Rom
Am müden gelben Tiberstrom.
Kein Schnee, keine Tannen, kein Mettensang
Noch schwerer deutscher Glockenklang! -
- Etwas wie Lenz um die Kuppeln weht.
Von rauschenden Brunnen hallen die Gassen,
Und vom Sabinergebirge geht
Ein Hirt durch die festlichen Menschenmassen
Und dudelt wie Tanz und spielt wie Gebet
Von seinem Holze die Fröhlichkeit
Der alles beglückenden Weihnachtszeit.
Vom Kapitol wallt eine Schar
Verschleierter Donnen und ernster Männer,
Voran ein munterer Kirchenfenner,
Der im bunten Mantel seiner Gilde
Das Fähnchen schwingt mit dem Heilandsbilde.
- Der würdigste aber im Feiergange,
Das ist ein Knabe mit blasser Wange.
Mit Römerblick und Römerstrenge
Beherrscht das Kind die laute Menge,
Sobald es auf sein Känzelchen steigt.
- Unser Bambino! - stille! - schweigt! -
Es predigt ein angelerntes Stück
Vom Stall und der Jungfrau heiligem Glück;
Doch es redet so kühn und überzeugt,
Daß der knorrigste Hörer den Nacken beugt,
Mit Gebietergebärden: Ihr sollt! Ihr müßt!
Wie kaum einst Cäsar die Römer begrüßt;
Und plaudert dann, wie aus endlosen Fernen,
Geleitet von klugen Wandersternen,
Selbst Könige kamen in Purpur und Seiden,
Und zu Jesu Füßen ein Meer von Geschmeiden
Und einen Psalter von Liedern ergossen.
Man denke, sie ritten nicht auf Rossen,
Sie kamen und gingen auf grauen Kamelen,
Die geduldig sind und kein Sträßchen verfehlen. -
Und weiter erzählt es melodisch und flink,
Wie auf des Herodes grausamen Wink
Nach Bethlehem sprengten schwertblitzende Horden
Zum blutignassen Kindleinmorden.
Aber wie ein schlauer Engel geschwind
Zu Josef sagte: "Hebe das Kind!"
Und wie ein frommes Eselein
Es sicher trug in die Wüste hinein.
Und wo das Knäblein kam gezogen,
Die Löwen sich untertänig bogen. -
- Und wie das Kindlein dann größer ward
Und gepredigt hat auf neue Art,
Und die Kleinen erhob und die Armen und Schwachen,
Und die stärksten Wunder konnte machen,
Daß die alten Sünder darob erschreckt
Ihre kahlen Häupter zusammengesteckt
Und mit verfluchten Lügen und Klagen
Zuletzt den Helden ans Kreuz geschlagen. -
- Aber die Welt war nun doch befreit
Und es gab eine neue, schöne Zeit.
Aus dem ermatteten heidnischen Rom
Das junge erstand mit dem Petersdom,
Mit Weihrauch, Psalmen und Prozessionen
Und den Heiligen allen auf goldenen Thronen,
Und den süßen Kuchen in diesen Tagen -
Und so wäre noch vieles zu singen und sagen. -

Eine Frau zuvörderst hängt wie verloren
Am Knabenmund: "Ich hab' ihn geboren",
Prahlt sie, "o Christkind, sei so gut,
Und gib meinem Rocco den Priesterhut;
Vielleicht sogar mit roten Schnüren,
Daß er ein größer Volk mag führen. -
Der da drüben hauset im Vatikan,
Dem Heiligen Vater seh' ich's an,
Er freut sich, wenn mit dem Jesuskind
Auch ein paar Apostel geboren sind.
So ein Apostelchen predigt hier.
Ich bin seine Mutter, ich schenk ihn Dir!" -

Und der Zug geht weiter am Forum vorbei.
Bambino! schallet sein Feldgeschrei.
Und die auf den Säulen ergrauet sind,
Die Götter verhüllen ihr Haupt:
Uns hat ein armes Strohbettkind
Himmel und Erde geraubt. -
Und näher geht es dem Petersdom.
In die Zehntausende schwillt der Strom.
Die ganze Menschheit scheint unter den Bogen
Sehnsüchtig auf und nieder zu wogen.
Nun schmettern Trompeten, Perosis Chor
Begrüßt den Pontifex unterm Tor:
"In terra pax!" - Ja, Friede auf Erden
Soll allen willigen Menschen werden.
Und der Papst läßt fallen die hohe Rechte
Und neiget sich tief, indem er spricht:
"O Kind vom Himmel, ich segne nicht,
Eh' Du gesegnet den Knecht der Knechte!" -

So sind wir von Weihnacht zu Weihnacht gezogen,
Vom Schnee in den Mittag - nun schließet den Bogen
Und kehret im eigenen Herzen ein.
Ihr findet vom Nord und vom Süd da ein Teilchen,
Scharfe Kälte und scharfe Hitze ein Weilchen,
Deutsche Milch und brennend italischen Wein,
Und mischet und brauet das christlich zusammen:
Des Nordens Andacht, des Südens Flammen,
Ein Tannendüftchen, ein römisches Lüftchen,
Ein Pfündchen Demut, ein Pfündchen König,
Agneschen ein wenig, Bambino ein wenig. -
Und wer euch in solcher Stunde vernimmt,
Hört es wie Orgel so wohlgestimmt
Aus spitzen und groben Brummbaßpfeifen
Mit Psalmengewalt gen Himmel schweifen:
"Ich glaube und liebe und bin wieder Kind
Mit allen, die mir gleich Kinder sind."

Heinrich Federer


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